Volkstheaterfestival
Wurzelwerk
Welche Bedeutung hat das Volkstheater in der Einwanderungsgesellschaft Deutschland und welche Rolle spielen dabei die Sprachen und Mundarten? Vor dem Hintergrund dieser Fragestellung initiierte der Bund Deutscher Amateurtheater (BDAT) im Mai 2015 mit seinem Bundesarbeitskreis „Mundart und Sprachen“ erstmals ein bundesweites Volkstheatertreffen. In Kooperation mit dem Verband Saarländischer Amateurtheater fand das viertägige Theatertreffen in Sulzbach/Saar statt. Seitdem wird das Festival alle zwei Jahre vom BDAT in wechselnden Kooperationen durchgeführt.
Die Idee des Festivals WURZELWERK ist es, den Dialog zwischen den verschiedenen kulturellen Wurzeln des Volkstheaters mit allen in Deutschland lebenden Bevölkerungsgruppen herzustellen.
Ausgangslage
Ein wesentlicher Teil der Theaterarbeiten im deutschen Amateurtheater beschäftigt sich mit dem weiten Feld des Volkstheaters. Ohne diesen Begriff an dieser Stelle einer ausdifferenzierten Analyse zu unterziehen oder ihn gegenüber dem Konzept der Bürgerbühne abzugrenzen, lässt sich feststellen, dass das Amateurtheater hier besondere Stärken entwickelt und Verdienste erworben hat. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf künstlerische Prozesse und Produktionen, die zu einer Stärkung der Breitenkultur als der Kultur im ländlichen Raum beitragen.
Indem sich das Amateurtheater dem Volkstheater widmet, bezieht es sich in gewissem Sinne und unter einem bestimmten Aspekt auf eine lange zurückreichende Traditionslinie. Diese Theaterarbeiten stehen im Dialog mit der örtlichen Bevölkerung, der lokalen Geschichte und Gegenwart. Sie sind der regionalen kulturellen Identität, der Pflege des regionalen Brauchtums, der Mundart und des Dialekts verpflichtet. Die Stoffe wurzeln in den volkstümliche Mythen, den Sagen und Legenden, dem Alltag der Menschen. Es sind nicht nur die Passionsspiele die auf eine lange religiös-kulturelle Tradition verweisen. Die Vielfalt und Bandbreite des Volkstheaters ist groß. Von Shakespeare, über Historienspektakel bis hin zu den idealisierenden, volkstümelnden Schwänken, Possen und bäuerlich-ländlichen Heimatstücken. Auch sie wurzeln in einer überlieferten Vorstellung wie das Leben einmal gewesen sein könnte, gewesen sein sollte. Auch solche Theaterarbeiten reklamieren das Volkstheater für sich als Theater vom Volk, für das Volk und über das Volk.
Bei allen regionalen und lokalen Unterschieden ließe sich bei eingehender und vergleichender Betrachtung eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten finden hinsichtlich der Genese der Stoffe, der Themenfindung, dem theatralen Personal oder der stilistischen Ausformung der Inhalte. So dass sich am Ende unter dem erweiterten Begriff „Volkstheater“ im deutschsprachigen Raum viele, wenn nicht alle wiederfinden können.
Volkstheater von allen und für alle
Deutschland ist laut einer OECD – Studie nach den USA das zweitbeliebteste Einwanderungsland. In Deutschland haben 18,7 % der Bevölkerung einen Migrationshintergrund (knapp 16 Millionen haben einen Migrationshintergrund im engeren Sinne, knapp 7 Millionen gelten als Ausländer). Aufgrund des demographischen Wandels wird der Anteil in Zukunft wachsen. Die größten Herkunftsländer bzw. Regionen sind die Türkei, Russland mit den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, Polen, Italien sowie die Regionen Naher und Mittlerer Osten, Asien, Australien und Ozeanien.
Was ist deren Volkstheater? Auf welchen Stoffen, Mythen und Spielformen wurzelt ihre Theatertradition? Was sind ihre Archetypen?
Welche dieser Wurzeln wird von der postmigrantischen Generation aufgenommen und weitergeführt? Gibt es ein postmigrantisches Volkstheater?
Kulturelle Identität? Multikultur? Interkultur? Transkultur? Unbestreitbar ist der Dialog der Kulturen eine unabdingbare Voraussetzung für gelingendes Zusammenleben. In diesem Kontext wird sehr gerne auf die Problematik der verschiedenen Traditionen und kulturellen Wurzeln verwiesen. Aber was genau verbirgt sich hinter diesen Begriffen? Und wer wäre besser geeignet diese verschiedenen kulturellen Wurzeln einer eingehenden vergleichenden Betrachtung zu unterziehen als das lebendige Volkstheater?