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Offener Brief & Aufruf

Theater gegen finstere Zeiten

Vor 75 Jahren, im Mai 1949, wurde in Deutschland auch als Reaktion auf die finstere Zeit des Nationalsozialismus das Grundgesetz verabschiedet. Finster war diese Zeit auch deshalb, weil Kunst und Meinungsfreiheit in Ketten gelegt wurden.

In Artikel 5 des Grundgesetzes heißt es deswegen:

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […]. Eine Zensur findet nicht statt. […] (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.

Auch die Artikel 20 und 21 der Verfassung des Freistaates Sachsen vom 27. Mai 1992 garantieren das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Freiheit der Kunst. Beide Gesetze legen fest: Eine Zensur findet nicht satt.

Die Ereignisse rund um das Theaterpädagogische Zentrum Erzgebirgkreis „Theater Burattino“ in Stollberg / Erzgebirge lassen befürchten, dass wieder finstere Zeiten am Horizont erscheinen. Kunst und Lehre, Theater und Theaterpädagogik sollen wieder an die Kette gelegt werden.

Wenn der Ungeist der Denunziation in der Zivilgesellschaft um sich greift, wenn Zensur in vorauseilendem Gehorsam oder aus Angst vor künftigen politischen Machtverhältnissen wieder statthaft wird, ist es um die Stabilität der Demokratie geschehen.

Wir, die Unterzeichnenden, bekennen uns zur Demokratie, zur Freiheit der Kunst und einer gesellschaftskritischen Perspektive des Theaters. Die in der Inszenierung „Die Weiße Rose“ assoziierte Nähe der AfD, die in Sachsen als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft ist (siehe Mitteilung des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 8.12.2023), zum Nationalsozialismus ist keine „linksradikale Indoktrination“, sondern Ausdruck künstlerischer Freiheit und demokratischer Meinungsfreiheit. 

Wir unterstützen eine Theaterpädagogik, wie sie in der Satzung des Theater Burattino formuliert ist, die den Teilnehmenden Zugänge zur zeitgenössischen Theaterkunst eröffnet, die demokratische Prozesse fördert und sich für gesellschaftlichen Zusammenhalt stark macht.

Wir rufen alle Bürger*innen dieses Landes und ganz besonders die Mitglieder im Bund Deutscher Amateurtheater dazu auf, die in den Verfassungen garantierten Rechte zu stärken, zu schützen und sich demagogischen Denunziationen entgegenzustellen. Wir rufen die lokalen, regionalen und bundesweiten Vertreter*innen von Institutionen und behördliche Entscheidungsträger*innen dazu auf jeglicher Art von Zensur, aus welchen Motiven auch immer, zu widerstehen. Wir rufen die Leitung des Theaterpädagogischen Zentrums Burattino und dessen Träger (Eigenbetrieb Kultureller Bildungsbetrieb Erzgebirgskreis) dazu auf, die auf Webseite selbst formulierten Denkanstöße ernst zu nehmen. „Wir laden euch ein, gemeinsam mit uns Grenzen des Denkens zu erweitern und neue Perspektiven zu entdecken. Jede unserer neuen Inszenierungen soll inspirieren, hinterfragen und vielleicht sogar die Welt um uns herum neu zu gestalten. Wir streben danach, unser Publikum nicht nur zu unterhalten, sondern auch zu einem aktiven Dialog über brisante und bedeutsame Fragen unserer Zeit anzuregen.“ Setzen Sie Ihre besondere Verantwortung als kultureller Bildungsakteur bei jungen Menschen im Erzgebirgskreis in Ihrer Arbeit um und stärken die Demokratie. Wehren Sie entschieden Versuche rechtsextremer Bewegungen in ihrem Umkreis ab, Kunstfreiheit und Werte des Grundgesetzes einzuschränken oder zu verunglimpfen.

Nehmen Sie die Inszenierung „Die Weiße Rose“ im Original jetzt und in der Spielzeit 2024/25 wieder in den Spielplan auf. Nutzen Sie die Gelegenheit das Theater als offenen Diskussionsraum einer lebendigen und toleranten Demokratie sichtbar zu machen.

Seien Sie ein Leuchtturm gegen finstere Zeiten und vergessen Sie nicht: Sie sind nicht allein. Lassen Sie uns gemeinsam für Demokratie streiten!

Leipzig, Stollberg, Berlin – 3. Juli 2024

Landesverband Amateurtheater Sachsen & Bund Deutscher Amateurtheater

Betroffene ehemalige Schüler*innen des Carl-von-Bach-Gymnasiums

Download des Offenen Briefes