Das Theater hat eine lange Tradition als Ort der Kreativität, des Ausdrucks und der Gemeinschaft. In ländlichen und strukturschwachen Regionen ist das Amateurtheater nicht nur ein Ort der Freizeitbeschäftigung und kreativen Entfaltung, sondern auch ein entscheidender Akteur im Bereich der sozialen Integration und kulturellen Bildung. Die im Juni 2024 eingerichtete „Servicestelle für Amateurtheater in Ländlichen Räumen“ hat sich vorgenommen, die spezifischen Bedürfnisse von Amateurtheaterschaffenden auf dem Land zu identifizieren und Bühnen vor Ort zu beraten. Denn in ländlichen Räumen ergeben sich aus vielfältigen Rahmenbedingungen vielfältige Herausforderungen, angefangen bei dem eingeschränkten Zugang zu kulturellen Angeboten.
Unter den schätzungsweise 160.000 Menschen, die bei den Mitgliedsbühnen des BDAT beteiligt sind, finden sich auch viele junge Menschen aus ländlichen Gebieten, die von der Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter und darüber hinaus engagiert sind. Das Amateurtheater mit Kindern und Jugendlichen kann also durchaus eine Brücke sein – zu kultureller Teilhabe und einem nachhaltigen sozialen Netzwerk ebenso wie zu einer lebendigen, gemeinschaftlichen und generationsübergreifenden Ausgestaltung ländlicher Räume in der Zukunft. In unserem Bestreben, den dafür notwendigen Bedarfen näherzukommen und besser unterstützen zu können, haben wir den Jugendleiter*innen unserer Mitgliedsverbände folgende Fragen gestellt: Was macht das Theater mit jungen Menschen im ländlichen Raum aus? Was sind die aktuellen Herausforderungen für Theater mit Kindern und Jugendlichen in ländlichen Räumen? Was wünschen sich Kinder und Jugendliche? Einen Querschnitt der Antworten, die wir erhalten haben, stellen wir hier vor.
Vertrauen und Sicherheit
„Es braucht einen sicheren Raum.“
Theater bietet jungen Menschen einen Raum, ihre Gedanken und Gefühle – zu aktuellen Themen oder solchen, die für sie persönlich Aktualität haben – auszudrücken. Hier kann das Miteinander ebenso wie Aus- und Abgrenzung thematisiert werden. Der Blick auf alte und neue Welten darf gedeihen, Utopien dürfen entstehen. Um vertrauensvoll an kreativen Prozessen mitzuwirken, braucht es einen sicheren und geschützten Raum. Nicht selten mangelt es an geeigneten Räumen für Veranstaltungen, Lager und Proben. Einen sicheren physischen ebenso wie einen sicheren geistigen Raum zu finden, scheint besonders in Zeiten herausfordernd, in denen die berechtigte Sorge besteht, dass Populismus und Polarisierung auch vor der Theaterarbeit mit Kindern und Jugendlichen keinen Halt machen.
Mentale Gesundheit
„Kinder können lernen, darauf zu schauen, was Sie wirklich umgibt.“
Der Alltag der Kinder und Jugendlichen und die Inhalte ihrer Theaterstücke, stehen häufig in einer wechselseitigen Beziehung. Aktuelle Themen wie beispielsweise medialer Konsum, Sucht oder auch Mobbing werden in den Stücken aufgegriffen und schaffen zwischenmenschliche Annäherung, einen tiefen Austausch und sogar neue Freundschaften, die über den Theaterkontext hinauswirken. Um sensible Themen in den Stücken zu behandeln, braucht es zum einen Gruppenleiter*innen, die gut geschult sind, und zum anderen die Entwicklung und Etablierung von Kinderschutzkonzepten.
Zeit und Erreichbarkeit
„Mobilität ist ein viel größeres Thema als im städtischen Ballungsgebiet.“
Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen benötigt Zeit und Geduld, um Vertrauen aufzubauen und eine Regelmäßigkeit zum partizipativen Arbeiten und Experimentieren zu gewährleisten. Oftmals fehlt allerdings die Zeit, um neben der Schule und weiteren Hobbies beispielsweise Texte für die nächste Produktion zu lernen. Zudem kommt es in den ländlichen und großflächigen Räumen für viele Darsteller*innen auch zu teilweise langen Anreisewegen. Die Unzuverlässigkeit der öffentlichen Verkehrsmittel macht eine pünktliche und regelmäßige Probeteilnahme oft nicht leichter.
Vernetzung und Austausch
„Mit dem Theater verbinden die meisten ein Zuhause, eine Familie und die Möglichkeit, mal mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen.“
Aufgrund der geringeren Dichte hängen Initiativen in ländlichen Räumen durchaus existentiell von Engagierten ab – ob diese nun ehrenamtlich oder beruflich engagiert sind. Die Begegnung und Vernetzung von Akteur*innen bärgen wichtige Potentiale wie die Bündelung von Ressourcen, die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur und Erfahrungsaustausch. Insbesondere Theater für junges Publikum hat das Potenzial, politische und kulturelle Bildung zu ermöglichen und durch inhaltliche und ästhetische Impulse für die eigene Gestaltungs- und Handlungsmacht zu sensibilisieren – und eben auch zu ehrenamtlichem Engagement zu bewegen.
In unserem Printmagazin findet ihr ein Interview mit dem saarländischen Theatermacher Samuel Josh Koch zu seinem Blick auf die Zukunft von Kinder- und Jugendtheater im ländlichen Raum. Schau mal vorbei!