Bundesfreiwillige erzählen

Generationsoffenheit im Theater

Wir bieten einen generationsoffenen Bundesfreiwilligendienst an. Das bedeutet, das Jüngere und Ältere – das breite Spektrum – an unseren Einsatzstellen unterschiedlichen Formen der Theaterarbeit nachgehen können. Regelmäßig kommen sie alle zu Freiwilligentreffen, sogenannten Bildungstagen, zusammen, um sich kennenzulernen und auszutauschen. Eines dieser Freiwilligentreffen hat in diesem Jahr beim amarena-Festival in Hamburg stattgefunden. Dort sind wir mit einigen Bundesfreiwilligen ins Gespräch darüber gekommen, was sie über Generationsoffenheit im Theater denken. Hier berichten sie über ihre Erfahrungen. 

Erfahrung Generationsoffenheit

Von Stefanie Ebert, 29 Jahre // Dieser Beitrag ist auch in unserem Printmagazin abgedruckt. 

Als ich im September meine Tasche gepackt habe, um in Hamburg an meinem ersten Bufdi-Treffen (Bufdi = Bundesfreiwilligendienst) teilzunehmen, hatte ich keine großen Erwartungen. Vier Tage mit Fremden, die bestimmt gerade alle ihr Abi fertig haben und höchst ambitioniert sind. Ich hatte eine lange Arbeitswoche hinter mir und würde keine Zeit zum Ausruhen haben. Im Nachhinein komme ich mir wegen dieser Gedanken miesepetrig und voreingenommen vor.

Wie sich zeigen sollte, konnte ich nicht mehr falsch liegen. Der Raum bei der Auftaktveranstaltung unserer Bildungstage im Rahmen des amarena-Festivals war von vielen sehr unterschiedlichen Menschen gefüllt. Wir waren etwa 15 Bufdis. Im Alter zwischen 18 und Anfang 70 war jede Altersgruppe vertreten und damit auch nahezu jeder Aufgabenbereich eines Amateurtheaterbetriebs: Techniker*innen für Licht und Ton, Austatter*innen, Betriebswirtschaftler*innen, Organisationstalente, Bibliothekar*innen, Kursleitungen, Tänzer*innen, Schauspieler*innen und Akrobat*innen, denen allen eine Liebe fürs Theater gemein ist.

Die Zeit in Hamburg hat Türen für einen besonderen Austausch geöffnet: Gemeinsamkeiten wurden entdeckt, Pläuschchen gehalten, Abendplanungen gemacht, Nummern ausgetauscht und sogar Pläne für ein Wiedersehen geschmiedet. Am tiefsten hat mich der Austausch nach unseren Theaterbesuchen beeindruckt. Die zunächst so simple Frage »Wie hat dir das Stück gefallen?« ist mit jeder Vorstellung mehr zu einer lebhaften Diskussion herangewachsen. Mit jedem Gespräch kam ein Puzzlestück hinzu – denn jede*r hat sich aus einem persönlichen, von den eigenen Interessen und Erfahrungen geleiteten Blickwinkel mit der Aufführung auseinandergesetzt. Nicht nur hatte ich einen derart breit gefächerten Austausch – über Expertisen und Generationen hinweg – so noch nicht erlebt, aber besonders das aufrichtige Interesse an der Einschätzung anderer hat meine individuelle Erfahrung der einzelnen Stücke bereichert.

Ich denke, in meiner Erfahrung des generationsoffenen Bundesfreiwilligendiensts spiegeln sich ein Miteinander und Prozesse wider, die das Amateurtheater im Allgemeinen ausmachen und einen Grundstein unserer Gesellschaft darstellen oder darstellen sollten. Mein Bufdi-Kollege Felix (Anfang 20, Burgtheater Altleiningen) hat seinen Theaterverein als Topf bezeichnet, in den alle hineingeworfen werden, anders als bei anderen Freizeitaktivitäten, bei denen oft nach Alter oder Leistung getrennt wird. Alle werden gebraucht und wertgeschätzt. »Jung und Alt lernen voneinander«, sagt Matthias (Anfang 60, Freilichtbühne Greven). Jede*r bringt sich nach den eigenen Stärken ein und der Prozess des gemeinsamen Theater-Machens steht dabei – so scheint mir – fast mehr im Fokus als die Aufführung selbst. So ent- und besteht Raum für kulturelle Bildung, nicht nur in der Interpretation und Präsentation eines Textes, sondern im gemeinsamen Erarbeiten, Einbringen und Dranbleiben, im Voneinander-Lernen und Miteinander-Wachsen – auch und vor allem durch intergenerationelle Zusammenarbeit, durch die Begegnung zwischen Groß und Klein, Jung und Alt.

Eindrücke des Bundesfreiwilligentreffens in Hamburg

Über Herausforderungen & Chancen
der Generationsoffenheit: Bundesfreiwillige erzählen

„Generationsoffen bedeutet, Alt und Jung zusammen. Ich halte das für existenziell. Gegenseitiger Respekt vorausgesetzt. In der Theaternative C hat das bislang ausgezeichnet funktioniert. Für beide Seiten wird ein Lernprozess erzielt. Privat sowie beruflich. Vor dem Hintergrund meiner Arbeit habe ich oft oder gar häufig mit jungen Schauspieler*innen zu tun. Nie gab es einen negativen Effekt. Ich bezeichne es gern mit einer Metapher: Man bleibt in Bewegung. Es gab auch interessante Auseinandersetzungen, die aber auch ihre Früchte trugen.“

„Ich würde sagen, dass Theater, gerade Amateurtheatervereine, der Austauschort für unterschiedliche Generationen sind. Das Vereinsleben im Theater ist Generationsoffenheit schlechthin, weil wir bei einer Produktion oft gemischte Gruppen haben und man eben alle in einen Topf reinwirft. Bei Chören, Musik- oder Sportvereinen wird meistens nach Altersklassen getrennt. Für mich persönlich bedeutet Generationsoffenheit im Theater eben auch, Erfahrungswerte von Menschen mitzunehmen und mich mit Menschen auszutauschen, die an einem ganz anderen Punkt im Leben sind als ich selbst. Meist haben sie nochmal eine ganz andere, aber auch interessante Sicht auf die Dinge. Gleichzeitig tut es den Alteingesessenen bei ihrer Theaterarbeit auch gut, wenn da mal frischer Wind durchweht und da mal neue Impulse kommen. Zum einen ist es natürlich immer ein Thema, wenn wir in den technischen, also den veranstaltungstechnischen Bereich gehen. Das heißt im Theater Licht- und Tontechnik. Da schreitet die Technik natürlich voran und junge Leute sind da total im Vorteil, wenn es um die Arbeit mit modernen Systemen geht. Die älteren Personen haben stattdessen oft mehr Erfahrung damit, wie man der Inszenierung lichttechnisch nochmal den richtigen Dreh gibt. So können alle andere Impulse setzen. Es ist ja auch immer wieder Thema für uns als Gesellschaft - das Zusammenbleiben oder Wieder-zusammen-Wachsen der Generationen. Es ist ja immer wieder Thema, dass sich Generationen voneinander abspalten und eben nicht in den Austausch miteinander treten, weil sie durch verschiedene Erfahrungswerte geprägt sind und unterschiedliche Ansichten vertreten. Dann fühlen sich die Jungen von den Alten vor den Kopf gestoßen und nicht gehört und die Alten meinen vielleicht, die Jungen haben eh keine Ahnung und wollen sich von ihnen nichts sagen lassen. Dann hocken beide für sich da und man kommt nicht weiter. Und das ist für die Gesellschaft auch ein ganz wichtiger Punkt, dass eben beide Gruppen merken: Okay, die andere Person ist da, und das, was sie zu sagen hat, ist vielleicht auch gar nicht so uninteressant für mich und meine Generation."

// „Jung & Alt lernen voneinander und müssen sich ergänzen."

// „Wenn man nichts Neues wagt, kommt man auch nicht weiter und man verliert an Horizont."

// „Man braucht fast immer alte und junge Menschen in einem Theaterstück."

„What we experienced during our amateur theatre event was incredible. We came together as people of all ages and from different ways of life, sharing unique moments, laughter and even a few tears. We had the chance to watch some very special performances, and the best part was being able to discuss and share opinions afterwards. The Workshop also allowed us to learn together, explore and express ourselves in ways we never imagined. I believe we all took something important from this experience. Beyond the theater, it was an opportunity to connect and understand each other better – after all, is not this the purpose of amateur theater?"

(„Was wir während unserer Amateurtheaterveranstaltung erlebt haben, war unglaublich. Wir kamen als Menschen aller Altersgruppen und aus verschiedenen Lebensbereichen zusammen und teilten einzigartige Momente, Lachen und sogar ein paar Tränen. Wir hatten die Gelegenheit, einige ganz besondere Aufführungen zu sehen, und das Beste war, dass wir danach diskutieren und Meinungen austauschen konnten. Der Workshop ermöglichte es uns auch, gemeinsam zu lernen, zu forschen und uns auf ungeahnte Weise auszudrücken. Ich glaube, wir haben alle etwas Wichtiges aus dieser Erfahrung mitgenommen. Über das Theater hinaus war es eine Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen und einander besser zu verstehen - ist das nicht der Zweck des Amateurtheaters?")

„Im Zusammenhang mit kultureller Bildung haben wir beim Landesverband Amateurtheater Baden-Württemberg e. V. einen Förderauftrag vom Land Baden-Württemberg. Beispielsweise fördern wir das Projekt „Verwandlungen“. Dabei geht es um überraschende Sprünge in etwas Neues, nicht-Planbares, im Gegensatz zu planbaren Veränderungen. Das Projekt wird von einer generationenübergreifenden Theatergruppe durchgeführt. Ein anderes Projekt von Kindern und Jugendlichen, gespielt für alle Altersklassen, führt Elemente der fantastischen Literatur (Jules Verne, Edgar Allan Poe) in einer neuen Abenteuergeschichte mit aktuellen Gegebenheiten (Klimawandel, Erderwärmung, Folgen des Kolonialismus) zusammen. Viele Projekte arbeiten generationsoffen oder haben eine generationsoffene Zielgruppe und die Zuschauer*innen können wahrscheinlich einiges davon mitnehmen und lernen."