Umzug des Bühneli Lörrach

Vorhang auf für Kistenchaos

Wie das Theater "s' Bühneli Lörrach"
dank Gemeinschaft sein neues Zuhause baut

Liebe Leserinnen und Leser der „Spiel und Bühne“,

Sie sehen in diesem ersten Bild einen kleinen Teil vom Team des Theatervereins „’s Bühneli Lörrach e. V.“ Diese Szene hat einen besonderen Platz in unserem Herzen, denn sie zeigt einen traurigen Moment und dennoch lächeln wir. Denn wir blicken bereits mit großer Hoffnung in unsere neue Zukunft.

Wir sind nicht nur ein Ensemble, das auf der Bühne unterwegs ist, sondern eine eingeschworene Crew, die auch hinter den Kulissen seit Jahrzehnten Bestleistungen erbringt. Und genau diese gemeinsame Ausdauer war in den vergangenen Monaten gefragter denn je. Doch was ist eigentlich passiert? 

Der Beginn einer unerwarteten Reise

Gern nehmen wir Sie mit auf unsere bisherige Achterbahnfahrt der Gefühle, in die Geschichte eines unfreiwilligen Umzugs und die Entstehung einer neuen Spielstätte. Eine der größten Erkenntnisse möchten wir aber gleich zu Beginn teilen: Im Moment größter Not, als die Bühne zur Baustelle wurde, wurde uns klar, dass unsere Geselligkeit das Fundament ist, das uns zusammenhält! Sie war und ist das Herzstück und Kern unserer Stärke.

Das unerwartete Drama: Die alles verändernde Kündigung

Unser Verein blickt auf eine längere Geschichte zurück: Seit 1963 begeistert unsere Theatergruppe das Publikum in Lörrach und Umgebung. Was einst als „Laienspielgruppe Hauingen“ begann, entwickelte sich stetig weiter. 1975 erhielt das damalige Ensemble seinen heutigen Namen. 1997 erfüllte sich dann der größte Traum des damaligen Gründers und Theaterleiters Günther Geiser: Ein eigenes Theater. Seitdem spielt ‘s Bühneli eine bewusste Mischung aus anspruchsvollen Dramödien, alemannischen Stücken und unterhaltsamen Komödien.

Und nun, nach 28 Jahren, in denen die eigens eingerichteten Räume unser Zuhause, unsere kreative Werkstatt und unser emotionaler Anker waren, erreichte uns im März 2025 die Kündigung der Räumlichkeiten. Diese Nachricht erreichte uns völlig unvorbereitet und stürzte uns unverschuldet in ein tiefes Loch der Ungewissheit. Sie stellte unser Vereinsleben abrupt auf den Kopf. Besonders bitter war der Zeitpunkt, denn eigentlich wollten wir das 50-jährige Jubiläum unseres Theaters feiern.

Statt eine Jubiläumsfeier und die kommende Spielzeit zu planen, standen plötzlich dringende Krisensitzungen, der Abbau der kompletten Infrastruktur und die fieberhafte Suche nach einem neuen Domizil auf dem Programm. Unsere Kalender füllten sich mit Aufgaben, die so gar nichts mit Scheinwerfern und Textproben zu tun hatten. Um ehrlich zu sein: Es bedurfte dabei tatsächlich jede Menge gemeinschaftlich getrunkenen Baldriantees, um die Nerven wieder zu beruhigen und den Mut nicht zu verlieren.

Ein Umzug ist für jeden Verein eine immense Herausforderung und für ein Amateurtheater mit seinen spezifischen Anforderungen wird er zur existenziellen Zerreißprobe. Wir brauchten passende Akustik, Platz für den Fundus und eine funktionierende Bühne. Bald stellten wir uns die Frage, ob wir rechtzeitig eine neue, bezahlbare Heimat finden würden und ob der Umbau unsere ohnehin knappen Mittel übersteigen könnte.

Abschied von einem geliebten Ort

Der Abschied von unserem langjährigen Zuhause war schmerzhaft. Dabei geht es um mehr als nur das Packen und Tragen von Kartons. Wir verabschiedeten uns von den knarrenden Dielen, die jedem Stück einen eigenen Soundtrack gaben, vom tief sitzenden Duft nach altem Holz und Lampenfieber und von unserem großen Stammtisch im Foyer, an dem jahrelang der Premieren-Toast gesprochen und unser geliebter Bühneli-Sekt ausgeschenkt wurde. Diese kleinen, einzigartigen Eigenheiten gehen nun unwiederbringlich und schmerzlich verloren.

Doch statt zu resignieren, schaltete unser Team in den Krisenmodus, im positiven Sinne. Wir sahen uns nicht als Opfer der Umstände, sondern als gesamtes Ensemble in der größten praktischen Inszenierung unserer Vereinsgeschichte. Mit 37 Mitgliedern unterschiedlichster Altersstufen ist ’s Bühneli eine kleine Familie, die es gewohnt ist, gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten. Ob es das Gelingen einer einzigartigen Spielsaison ist oder eben die Rettung des gesamten Vereins.

Geselligkeit als Fundament: Was Teamwork wirklich leistet

Im Amateurtheater beginnt der Erfolg weit vor dem Applaus. Gerade in dieser Krise zeigte sich, dass unsere Gemeinschaft weit mehr ist als gesellige Stunden. Sie ist unsere tragende Säule. Nur wer einander vertraut, kann die logistische Mammutaufgabe eines Umzugs bewältigen und gemeinsam einen ganzen Neubau mit viel Eigenleistung stemmen. Bei uns werden nicht nur Dramen gespielt. Wir lösen sie auch.

Wo wir sonst wochenlang Gänge und Dialoge einstudiert hatten, dominierten nun Baupläne und Packlisten. Wir planten den minutiösen Abbau der Tribüne, die Sortierung und das Verpacken des gesamten Fundus und den Transport Hunderter von Kostümen, Requisiten und Bühnenteilen. Doch diese unglamouröse Arbeit mutierte zum Glück nicht zur Last. Im Gegenteil: Sie entwickelte eine eigene Dynamik. Gemeinsame Entrümpelungstage mit Chaos, Brezeln und Gipfeli hatten beinahe therapeutischen Charakter.

Entrümpelungsaktion des Fundus. // Foto: Katja Schmuck-Bachmann

Der Fundus als Zeitkapsel

Unser Lager erwies sich als gewaltige logistische Herausforderung und emotionale Zeitkapsel zugleich. Wir stießen immer wieder auf wahre Schätze. Stumme Requisiten wie jene drei Weintrauben und die vergilbte Plastik-Mandarine, die schon in vielen Stücken eine dekorative Nebenrolle spielten. Diese Fundstücke erinnerten uns daran, wie reich unser Theater an Geschichten ist.

Die kollektive Erinnerung unserer Mitglieder erwies sich als unschätzbares Archiv. Bei der Sortierung des Fundus gerieten wir beispielsweise über einen unscheinbaren Umhang in Diskussion. Sofort entstand eine lebendige Debatte: War dieser aus Stück A oder wurde er in Stück B getragen? Nur dank der kollektiven Erinnerung wussten wir, dass dieses Kostüm doch recht einzigartig und wertvoll ist und so nie wieder zu finden wäre. Es kam also auf den „Behalten-Stapel“.

Eine neue Heimat in einer alten Industriehalle
Parallel zum Sortieren und Packen mussten wir ein neues Zuhause finden und es in ein funktionierendes Theater verwandeln. Wir wagten den Sprung ins kalte Wasser und wir haben zum Glück etwas Spannendes gefunden. Eine ehemalige Industriehalle am Rande von Lörrach, die zuletzt als technische Ausbildungsstätte u.a. für Metall- und Kunststoffbearbeitung diente. 

“Richtfest” - Das erste Mitgliedertreffen in den neuen Räumen zum Kennenlernen des neuen Zuhauses. // Foto: Katja Schmuck-Bachmann

Anfang September standen wir als gesamter Verein in dieser großen, leeren Halle. Sie bot keinerlei theatertechnische Infrastruktur, fühlte sich aber sofort richtig an. Auch das alte Theater war einst aus einem Teilbereich einer ehemaligen Schokoladenfabrik entstanden. Nun bauen wir also wieder von Grund auf neu auf. Beleuchtung, Tribüne, Technik. Die Umwandlung dieses industriellen Raumes in ein voll funktionsfähiges, atmosphärisches Theater ist ein Projekt, bei dem jede Schraube, jede Rigipsplatte und jede Stunde ehrenamtlicher Arbeit doppelt zählt.

Die Kosten überstiegen unsere bisherigen Mittel. Doch erneut zeigte sich die Stärke unserer Gemeinschaft. Spendenaktionen, Crowdfunding, Flohmarkt, Gastauftritte und engagierte Mitglieder aller Generationen brachten teils dringend benötigte Einnahmen für diese Übergangszeit.

Unsere verschiedenen Generationen ergänzten sich perfekt: Die physische Kraft der jüngeren Mitglieder war beim Schleppen der schweren Kulissenteile unverzichtbar, während die Erfahrung der älteren, langjährigen Mitglieder die strategische Expertise lieferte. Sie aktivierten wichtige Handwerkerkontakte und erstellten mit der nötigen Übersicht die komplexen Arbeitspläne.

Das Spektrum aller Helfenden reichte dabei vom professionellen Handwerker im Verein bis zum studentischen Mitglied. Der Vorstand wälzte nun Bau- statt Probenpläne. Parallel dazu organisierten die speziell für den Umzug gebildeten Teams (Requisiten, Technik, Fundus, Kostüme, Frisuren, Foyer, Theke uvm.) kurzerhand das logistische Rückgrat: Sie übernahmen die Inventur der einzelnen Bereiche, deren Sortierung und das Verpacken.

Es galt zudem schnell weitere klare Rollen zu verteilen: Wer koordiniert den Umzug, wer informiert die Mitglieder, wer kontrolliert die Baupläne und wer ist verlässlich vor Ort? So gelingt es uns, auch nach einem langen Tag voller Mühe und Baustaub den erzielten Fortschritt gemeinsam zu feiern. Für unsere Geselligkeit als praktische Grundlage für unser Fortbestehen gilt: Wir fegen gemeinsam den Baustaub zusammen, bauen zusammen die Küche neu auf und proben in fremden Räumlichkeiten, bis unsere neue, alte Bühne wieder steht. Diese gemeinsame Anstrengung gibt uns die Gewissheit: Wir können uns hinter dem Vorhang genauso blind aufeinander verlassen wie davor.

Einer der ersten Einsätze im Bühneli 2.0 - Vorbereitung für den anschließenden Bau des neuen Theatersaals. // Foto: Katja Schmuck-Bachmann

Der Aufbruch zum Bühneli 2.0

Noch sind wir nicht am Ziel. Die rechtzeitige Fertigstellung bleibt unser größtes Vorhaben, gerade rund um den Jahreswechsel. Der Bau in Eigenregie ist anspruchsvoll, doch er ermöglicht uns auch, ein durchdachtes neues Konzept zu verwirklichen. Ein besonderes Highlight wird zum Beispiel das größere Foyer für unser Publikum. Die Geselligkeit und der bestehende Kontakt mit unseren Zuschauern hat uns neben der eigenen Motivation durch diese Krise getragen. Deshalb geben wir unserem Publikum nun in einem würdigen Raum die Möglichkeit zur aktiven Begegnung zurück. Zudem wird es auch ein neues Gastspiel-Konzept geben, da die neuen Dimensionen des Foyers auch für kleinere, intimere Veranstaltungen perfekt geeignet sein werden.

Blick ins neue Domizil: erste Baufortschritte. // Foto: Katja Schmuck-Bachmann
KI-generierte Planung: Konzept wie ein Teil des neuen Theater-Foyers aussehen soll. // Foto: Katja Schmuck-Bachmann

Trotz Bauarbeiten und Kistenstapeln laufen die Proben für unsere kommende Spielsaison 2026 auf Hochtouren. Dies ist nur möglich durch die Entschlossenheit unserer Mitglieder und den tiefen Glauben an unseren Kern: das Theaterspielen. Dieses ist unser Anker inmitten all der uns so fremden Themen: Statt Charaktere zu verkörpern und unser Publikum zu verzaubern, sprechen wir nun mit Architekten und Gewerken; statt Künstler spielerisch darzustellen, stehen wir nun in der Realität vor unseren noch nackten, neuen Wänden, um diese tatsächlich zu verschönern.

Unsere Vision ist klar: Beim ersten Betreten des neuen Raumes sollen die Zuschauer innehalten und erstaunt sein, was unser ehrenamtlicher Verein alles geschafft hat. ’s Bühneli soll wieder ein Ort sein, an dem man sich sofort wohlfühlt, noch bevor der Vorhang aufgeht. Das Ziel ist gesetzt: Die feierliche Eröffnung und Einweihung unserer neuen Spielstätte mit der Premiere der turbulenten Krimödie „Dr. Jekyll und Fräulein Hyde“ am 24. Januar 2026.

Buehneli-Plakat Dr. Jekyll und Frl. Hyde 2026. // Plakat: Katja Schmuck-Bachmann
Das letzte Bild der letzten Probe überhaupt im Bühneli 1.0. // Foto: Katja Schmuck-Bachmann

Der Umzug hat uns auf die Probe gestellt und bringt uns auch jetzt noch an unsere Grenzen. Doch er hat uns vor allem gezeigt: Unser Verein ist nicht an vier Wände gebunden, sondern lebt durch die Menschen, die ihn tragen.

Wir sind allen Helfenden, Unterstützenden und natürlich unserer eigenen, unverwüstlichen Bühneli-Geselligkeit zutiefst dankbar, dass wir in der Schopfheimer Straße 25/6 in Lörrach wieder ein neues Zuhause für die Lörracher Theaterkunst schaffen werden.

Wir freuen uns darauf, vielleicht auch Sie ab Ende Januar 2026 im neuen ‘s Bühneli 2.0 begrüßen zu dürfen. Wir selbst können es kaum erwarten, endlich wieder zusammen anzustoßen und den vertrauten Anblick unseres Stammtisches zu genießen, denn diesen haben wir natürlich mitgenommen. Er steht nun bald in unserer neuen Heimat und wartet darauf, dass an ihm weitere Kapitel unserer Geschichte entstehen. Dort, wo so vieles begann, soll nun auch das Neue seinen Platz finden.

Wenn Sie neugierig geworden sind, wie es mit unserem neuen Zuhause weitergeht, besuchen Sie uns gern auf buehneli.de. Dort erzählen wir unsere Geschichte weiter und zeigen, was hinter den Kulissen entsteht. Sie finden dort auch die Möglichkeit, uns ein wenig unter die Arme zu greifen. Kultur wächst durch Leidenschaft, doch manchmal braucht sie auch Menschen, die sie von außen stärken. Wir freuen uns über jede Form der Unterstützung und darüber, Sie ein Stück weit auf unserem Weg dabei zu wissen.

Ihr Team vom ’s Bühneli Lörrach e. V.

An dieser Stelle möchte der BDAT dem Bühneli Lörrach noch herzlich zu Platz 2 bei unserer Fotoaktion 2025 gratulieren! Herzlichen Dank für die Einsendung (Foto ganz oben auf dieser Seite)! Wir waren begeistert von dem Foto und umso berührter von der Geschichte des Vereins, der Gemeinschaft, dem Mut und der Zuversicht!