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Im Archiv des Bund Deutscher Amateurtheater e. V. (BDAT) werden Dokumente und Materialien zu der über 125-jährigen Geschichte des organisierten deutschen Amateurtheaters gesammelt, die seit 2014 auch archivisch erschlossen werden: Gegenwärtig sind es an die 900 Archivverpackungen mit über 200.000 Blatt Unterlagen und mancherlei gegenständlichen Archivalien. Die Erfassung in einer Datenbank ist bislang noch nicht erfolgt. Zur Recherche des Bestandes stehen Findbücher zur Verfügung.
BDAT-Archiv
Dokumente zu der Geschichte des Bundes seit seiner Gründung als „Verband der Privat-Theater-Vereine Deutschlands, Sitz: Berlin“ im Jahre 1892.
Sammlung Hans-Günter Nagel
Die nachgelassene eigene Sammlung des Verbandschronisten Hans-Günter Nagel mit ihrem Schwerpunkt auf der Historie des Dilettantentheaters in Berlin vor 1892.
Norbert Radermacher-Archiv
Unterlagen aus dem persönlichen Archiv des ehemaligen Verbands- und heutigen Ehren-präsidenten Norbert Radermacher zu der Geschichte des Welt-Kindertheater-Festes in Lingen (Ems) von 1990 bis 2010.
Fotoarchiv
Annähernd 10.000 vor allem analoge Aufnahmen zu Ereignissen des nationalen und inter-nationalen Amateurtheaters, die z. T. aus den Nachlässen verschiedener Verbandspersön-lichkeiten stammen.
Zeitschriftenarchiv
Die historischen Verbandsperiodika Privat-Bühne, Das Volksbühnenspiel, Volksspielkunst und Volks-Bühnen-Warte, die derzeitige Verbandszeitschrift Spiel & Bühne und weitere Titel des nationalen und internationalen Amateurtheatergeschehens sowie zum professionellen Theater und zu den Bereichen Kultur, Bildung, Soziales und Politik werden hier archiviert.
Plakatarchiv
Plakate zu Festivals, Verbandsveranstaltungen und weiteren Ereignissen des Amateur-theaterlebens werden ergänzt durch eine kleine Sammlung von Plakaten zu Aufführungen des japanischen Amateurtheaters, die dem persönlichen Archiv Norbert Radermachers entstammt.
Sammlung der AT-Memorabilia
Gegenständliche Erinnerungsstücke des nationalen wie auch internationalen Amateurtheaters, die dem BDAT überreicht worden sind.
AITA/IATA Archive
Vielsprachige Dokumente zu der Geschichte der 1952 in Brüssel gegründeten Internationalen Amateurtheatervereinigung „Association Internationale du Théâtre Amateur/International Amateur Theatre Association“ (AITA/IATA), deren Mitglied der BDAT seit 1967 ist.
VINETA-Archiv
Materialien zu der Geschichte der über 100 Jahre alten Berliner Amateurtheater-Bühne „VINETA 1900”, die als eine der ältesten Mitgliedsbühnen eng mit der Geschichte des BDAT verbunden ist.
EDERED-Archiv (Der Bestand soll noch erschlossen werden)
Das Teilarchiv des „European Drama Encounter“ (EDERED)

„Das Archiv ist das Gedächtnis der Kultur“
Interview mit Reet Schmidt
Reet Schmidt ist seit sieben Jahren verantwortlich für das Archiv und die Bibliothek beim Bund Deutscher Amateurtheater (BDAT). Die ersten anderthalb Jahre legte sie in diesem Rahmen die Grundlagen für den Archivaufbau. Ihre beruflichen Wurzeln liegen im kulturhistorischen Bereich, außerdem war und ist Reet Schmidt in einer wissenschaftlichen Bibliothek tätig. Ihre Fachkenntnisse und Erfahrungen aus diesem Bereich bringt die Kulturhistorikerin ins Archiv BDAT ein.
Frau Schmidt, warum haben Sie sich für die Arbeit im Archiv entschieden?
Ich habe mich nicht für die Arbeit entschieden, sondern die Arbeit hat sich für mich entschieden – das Archiv hat sich für mich entschieden. Beim Bund Deutscher Amateurtheater (BDAT) war im Gespräch, dass die Geschichte des Amateurtheaters zum ersten Mal wissenschaftlich aufgearbeitet werden sollte. Genau zu dieser Zeit, im Jahr 2013, hatte ich mich über Sigrid Haase (Projektkoordinatorin für den BFD, Anm. d. Red.) beim BDAT beworben und wurde zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Dabei wurde mir die Arbeit im Archiv offeriert.
Welche neuen Erkenntnisse haben Sie bislang beim BDAT gewonnen?
Es ist ein unendliches kulturelles Feld. Als ich mit der Arbeit begann, hatte ich vom Amateurtheater überhaupt keine Ahnung. Das so genannte Hochtheater, die professionelle Szene und die freie Szene, waren mir zu dem damaligen Zeitpunkt durchaus geläufig, aber im Amateurbereich war mir nichts bekannt. Als ich anfing zu recherchieren, hat mich der Begriff „Bund Deutscher Amateurtheater“ neugierig gemacht. Es war außerdem aus historischer Sicht sehr interessant, die Aufgabe sprach also mein Herz als Kulturhistorikerin definitiv an. Natürlich interessierte mich ebenfalls die tagtägliche Beschäftigung mit der Sprache. Mittlerweile habe ich schon einige Aufführungen im Amateurtheater gesehen und ich bin bezaubert: Die Qualität, Aufführungsdynamik und Professionalität beeindrucken mich. Ich fühle mich jedes Mal sehr angesprochen.
Eine der schönsten Erinnerungen ist, dass ich in Bayern bei einem kleinen Festival in Marktredwitz 2017 zu Gast war. Dort trat eine tschechische Gruppe auf und die Inszenierung wurde auf Tschechisch aufgeführt. Ich wusste, dass es um Mozart ging, aber ich spreche kein Tschechisch. Dennoch habe ich jedes Wort verstanden. Ich war und bin immer noch sehr beeindruckt von dieser Aufführung. Das hat mich vom Amateurtheater überzeugt.
Was sind Ihre konkreten Aufgaben und was wird beim BDAT archiviert?
Die Grundlagen für das Archiv wurden vom Chronisten Hans-Günter Nagel gelegt, der nach dem Fall der Mauer, ca. 1989-90, in Zusammenarbeit mit dem damaligen Präsidenten (Ernst Sondergeld, Anm. d. Red.) beschlossen hatte, zunächst verschiedene Archive zu besuchen. Beide fingen an, Materialien zusammen zu suchen und an einem Ort zu deponieren. Das waren die Vorschritte. Dabei kam sehr vieles zusammen, allerdings glich die Sammlung mehr einer Lagerhalle, als dass sie systematisch aufgebaut worden wäre. Meine Aufgabe ist es seitdem u. a., diese Ansammlung in verschiedene Bestände aufzuteilen, sie archivfachlich zu bearbeiten und Erhaltungsmaßnahmen durchzuführen.
Welche Herausforderungen sind damit verbunden?
Ein Archiv besteht meistens aus mehreren Beständen, das ist die so genannte Tektonik eines Archivs. Das Wichtigste ist, den Erhaltungszustand zu bewahren, damit es nicht nur 10 bis 15 Jahre hält, sondern längere Perioden überdauert. Das ist eine sehr zeitaufwendige und -intensive Arbeit. Dazu gehört, eine Bestandsübersicht zu erstellen, einzelne Bestände zu bilden und Findbücher anzulegen. Darüber hinaus wird eine Klassifikation erarbeitet, anhand der Signaturen, Zugangs- und Bestandsnummern vergeben werden. Es ist ein hierarchischer Aufbau und er endet damit, dass eine Tiefenerschließung der Archivalien gegeben ist. Dies bedeutet, dass jedes einzelne Blatt beschrieben vorliegt und ein*e potentielle*r Nutzer*in weiß, wo man es findet, unter welcher Signatur und unter welcher Bestandsnummer. Das ist, grob umrissen, meine Aufgabe.
Gab es einen oder mehrere Schlüsselmomente bei der Arbeit im Archiv?
An einen Moment erinnere ich mich sehr lebhaft. Die Archivalien waren kunterbunt zusammengetragen und zum Teil in Kartons gestopft. Ich arbeitete mich dann sukzessiv durch die Schränke und die einzelnen Regale. Beim Konvolut (Bündel von Schriftstücken), das eigentlich den Fotografien vorbehalten war, bin ich auf etwas gestoßen, was mich elektrisierte. Es waren handschriftliche Rollen und Textbücher aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Sie waren in einem sehr guten Erhaltungszustand. Als ich die über 100 Jahre alten Papiere in der Hand hatte, erfüllte mich das mit Ehrfurcht. Es ist großartig darin zu blättern, weil sie so klar geschrieben sind. Es sind Abschriften von u. a. einzelnen Rollen damaliger Vorlagen, weil die Bühnen nicht so viel Geld hatten. Ich konnte dann recherchieren, dass diese Materialien aus dem privaten Archiv des Mitgliedes Fuchs-Falkenstein zu Hans-Günter Nagel gekommen waren und Herr Nagel das Material an das Archiv weitergegeben hatte. Das hat mich dann schon sehr umgetrieben, ich war auch ganz aufgeregt.
Wie sieht es im Archiv mit historischem Fotomaterial aus?
Ich habe eine große Vorliebe für die Fotografien des Amateurtheaters und wir haben in unserem Kernbestand, dem BDAT-Archiv, Aufführungsfotografien aus der Zeit der Weimarer Republik. Die schaue ich mir immer wieder gerne an. Da sind großartige Kostüme und Requisiten zu sehen. Die Damen haben wagenradgroße Hüte auf und wallende Kleider an. Das hat damals eine Qualität erreicht, die aus meiner Sicht einzigartig ist. Heutzutage sind Kostüme und Requisiten der Zeit angepasst und angemessen. Damals war man sehr ins Detail verliebt. Einige Fotos sind sehr gut erhalten. Dazu gibt es auch noch Theaterzettel, Einlasskarten etc. Es gibt immer ein kleines Konvolut, sodass nachvollziehbar ist, was zusammengehört. So etwas begeistert mich, da schlägt mein Herz höher.
Im Februar 2020 haben Sie zeitgleich zum Treffen der Verbände eine Einführung in das Archiv angeboten. Wie kann ich mir das vorstellen?
Das war die erste Einführung für Vertreter*innen aus den Mitgliedsverbänden des BDAT in die Bestände des Archivs. Wir haben insgesamt 10 Bestände hier. Es ging dabei nicht um die Archivarbeit, also nicht um die Erhaltungsmaßnahmen, die durchgeführt werden müssen, sondern es ging erst mal darum: Was befindet sich hier in der Geschäftsstelle?
Der Bestand fängt bei uns in den 1790er Jahren an. Die älteste Archivalie stammt aus dem Ende des 18. Jhdts. Es geht ganz schön weit zurück. Ich kann das kurz mal aufführen: Wir haben ein Kernarchiv, das wir BDAT-Archiv nennen und die Sammlung von Hans-Günter Nagel. Norbert Rademacher, der aktuelle Ehrenpräsident, hat einen Teil seines Privatarchivs an uns gegeben. Das ist der dritte Bestand.
Außerdem haben wir ein Fotoarchiv, ein Zeitschriftenarchiv und ein Plakatarchiv. Der siebte Bestand ist die Sammlung der „AT-Memorabilia“ mit gegenständlichen Erinnerungsstücken des nationalen wie auch internationalen Amateurtheaters. Es gibt drei sogenannte Deposita. Das sind Bestände bzw. kleine Archive, die in die Obhut des BDAT gegeben worden sind, um hier aufgearbeitet zu werden, damit sie erhalten und zur Nutzung weitergegeben werden können. Eines davon ist das AITA Archiv der internationalen Amateurtheatervereinigung. Die AITA/IATA wurde 1952 in Brüssel gegründet. Das Archiv besteht aus 273 Kartons, deren Inhalt hier in den letzten zwei Jahren zur Erhaltung aufgearbeitet worden ist. Das ist jetzt für die nächsten Jahrzehnte erstmal gesichert.
Ein weiteres Depositum bekamen wir von der Vineta Bühne aus Berlin, die über 100 Jahre alt und eines der ältesten Mitglieder des BDAT ist. Sie wurde 1900 gegründet und ist sehr eng mit der Geschichte des BDAT verbunden. Maßgebliche Funktionen im BDAT sind immer wieder von Mitgliedern der Vineta besetzt worden. Auch Herr Nagel war z. B. ein langjähriges Mitglied.
Das dritte Depositum ist das Teilarchiv der internationalen Jugendtheaterorganisation European Drama Encounters (EDERED). Ich bin aktuell dabei, das so genannte Zwischenarchiv zu bilden, aber das steckt alles noch in den Kinderschuhen. Das war wirklich nur eine Einführung in das, was man hier findet, nicht wie es bearbeitet wird.
Viele Bühnen und Vereine fragen sich, wie sie ihre Arbeit bewahren bzw. archivieren können. Sie haben seit vielen Jahren Erfahrungen gesammelt und verschiedene Archive und Sammlungen aufgebaut. Worauf ist dabei zu achten und welche Tipps und Tricks können Sie mit auf den Weg geben?
Das sind keine Geheimnisse und darüber gibt es auch Informationen im Internet. Es geht darum: Wie erhalte ich ein Verbandsarchiv oder ein Bühnenarchiv? Wichtig ist die sogenannte Archivwürdigkeit, also die Entscheidung darüber, was ein Verein behalten möchte.
Bei Vorgaben bin ich leidenschaftslos, weil jede Bühne andere Schwerpunkte hat. Worüber ich mich persönlich als potenzielle Archivnutzerin freuen würde, sind beispielsweise Gründungsurkunden. Das ist sehr interessant, weil die Nutzer*innen einen einzuordnenden Zeitpunkt haben und sich eine Vorstellung davon machen können, wie es damals aussah. Dazu gehören Theaterzettel von den Aufführungen, Plakate, Fotografien und alles, was sich damit in Verbindung bringen lässt. Protokolle sind etwas ganz Wichtiges bei einem Verein oder einer Bühne. Sie müssen definitiv gesammelt werden. Wenn die Möglichkeit besteht, wäre es schön, auch etwas von der Requisite, den Kostümen und dem Bühnenbild aufzubewahren. Dazu fehlt meistens der Platz. Wenn es schon Chroniken gibt, weil jemand in früheren Zeiten etwas niedergeschrieben hat, sollten diese ebenfalls aufgehoben werden. Immer das Original aufbewahren!
Welche Tipps können Sie geben, wenn der Archivplatz beschränkt ist?
Wenn man nicht die Möglichkeiten hat, Archivalien, Dokumente und Materialien aufzubewahren, dann können Stadtarchive angesprochen werden. Eine Theatergruppe, die im Dorf aktiv ist, könnte sich an die Kreisstadt wenden. Es gibt häufig Archivare, die das Material gern aufnehmen. Sie wissen oftmals nur nicht, dass es etwas gibt. Und Archivare auf dieser Ebene kommen auch gerne zu den Bühnen und gucken sich die Archivalien an. Sie geben Tipps zum Archivieren und können helfen. Bei Archivaren, zumal größerer Institutionen, gilt die Faustregel: 70 % der vorgefundenen Archivalien können weg, in die Tonne! Sie sind sehr rigide in ihrer Einschätzung der Archivwürdigkeit. Davon würde ich mich nicht beeindrucken lassen. Jede Bühne muss selbst wissen, was sie archivieren möchte.
Auf welche Kriterien ist zu achten, damit der Archivbestand nicht beschädigt wird?
Beim Archivieren ist es wichtig, ein konstantes Klima zu bewahren. Also kein Keller und kein Dachboden! Auf dem Dachboden herrscht zu viel Hitze und u. U. Sonneneinstrahlung, im Keller kann es zu Feuchtigkeit, schlimmstenfalls zu Nässe mit Schimmel- und Geruchsbildung kommen. Gut ist ein konstantes Mittelmaß von 18-20 Grad Celsius. Die Luftfeuchtigkeit ist das, was am strengsten kontrolliert werden muss, auch wenn es nicht so leicht umzusetzen ist.
Ich plädiere immer dafür, alle Materialien aus Ordnern oder Plastik herauszunehmen und in Kartons zusammen zu tragen und aufzubewahren. Außerdem sollten Metallteile, Plastik, Kunststoff, Klammern, Tackerklammern und Tesafilmstreifen entfernt werden. Das alles zersetzt Papier. Bloß nichts in Plastikhüllen aufbewahren, weil das sofort Mikroklima und Schimmel bildet! Es gibt zwar die Möglichkeit, das Material professionell aufarbeiten zu lassen, aber das kostet viel Geld. Es sollte auch darauf geachtet werden, dass die Kartons säurefrei sind, weil Säure Papier zersetzt, zumal altes Papier. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Papierqualität sehr schlecht und Archivalien aus dieser Zeit sind dann als erstes davon betroffen. Es gibt z. B. professionelle Archivkartons, die wir auch im Archiv BDAT einsetzen. Leider haben wir derzeit – auch aus Kostengründen – einen Mischbestand mit anderen Aufbewahrungsmaterialien, die teils Geruch oder Säure absondern. Diese müssen sukzessiv ersetzt werden.
Wichtig ist auch, ein kleines Inventar zu führen, damit man weiß, wo man was findet. Das muss nicht professionell erfolgen. Man kann sagen: Das ist Karton 1 und darin befinden sich Protokolle von 1910-1920. Für die Inventarliste muss nicht foliert werden – das heißt, das Blatt muss nicht gezählt und nummeriert werden. Es braucht auch kein großartiges Layout, man kann es handschriftlich führen. Es ist immer gut, wenn eine Person das macht. Bei Veränderungen im Vorstand bzw. bei Verantwortlichen ist darauf zu achten, dass alle Protokolle an das Archiv abgegeben werden, sodass es keine Lücken gibt. Eine Beständigkeit ist wichtig!
Beim Archivieren gibt es keine Paginierung, also keine Vor- und Hinterseite, wie man das bei einem Buch vorfindet, sondern da wird foliert. Die Angabe lautet: Blatt 1 Vorderseite, Blatt 1 Rückseite und so wird das fortgeführt Diese archivfachlichen Vorgaben werden im Archiv BDAT befolgt.
Gibt es spezielle Anforderungen bei der Aufbewahrung von Papier-Fotos?
Bei Fotografien ist es ähnlich. Kunststoff und andere Materialien sollten entfernt werden. Es gibt bestimmte Materialien, mit denen gearbeitet werden kann. Fotografien lassen sich in einem Album aufbewahren, aber sie sind ohne Kunststoff und Kleber aufzubringen. Die einzelnen Fotos sollten nicht mit der Bildseite aufeinander liegen, sodass sie sich abreiben. Das ist analog, irgendwann einmal ist nichts mehr da. Papier und auch Fotografien haben die Angewohnheit, nach einer gewissen Zeit mit Kunststoff zu verbacken, dann bekommt man sie nicht mehr gelöst oder es werden Stücke ausgerissen. Meistens sind das aber Unikate und dann hat man ein Foto, auf dem nichts mehr abgebildet ist.
Wir haben hier im Bestand über 10.000 analoge Fotografien und eine Unzahl von digitalen, deren Hauptanzahl sich beim Öffentlichkeitsreferat befindet. Das verwaltet beim BDAT Frau Kellermann. Der historische Bestand geht zurück bis in die Jahre 1900-1910, zum Ende des Kaiserreiches. Sie dokumentieren die Festivals, die Persönlichkeiten und die ganze Bandbreite des Amateurtheaters sehr gut. Nicht nur national oder europäisch, sondern auch erdumspannend.
Fotografien sind im Archiv im Bearbeitungsmodus das Herausforderndste. Wenn sie nach dem Bearbeiten erfasst werden, muss entweder die Pixelanzahl oder das Format angegeben werden. Die Abmessung muss korrekt sein. Besonders wichtig ist es anzugeben, wer oder was sich darauf befindet. Sonst gibt es nach vielen Jahren das Problem, dass niemand mehr die Leute identifizieren kann. Wenn ein Verband ein alt gedientes Amateurtheaterpferd hat, sollte man dieses am besten nach den Personen, die auf den Fotografien zu sehen sind, fragen. Anzugeben sind dabei Vorname und Familienname: wegen des Datenschutzes keine Geburtsdaten oder andere persönliche Daten, aber die Funktionen in der Bühne oder beim Verein. Wenn diese Informationen nicht vorliegen, kann man als Archivar nur noch Fragezeichen von links nach rechts angeben. Wichtige Angaben sind auch das Datum der Uraufführung und evtl. weiterer Aufführungen, der Name des Stückes und die Anzahl der Aufführungen.
Was ist Ihr Wunsch oder Ihre Aufforderung an die rund 2.500 Mitgliedsbühnen im BDAT?
Ich plädiere dafür, dass jede kleine Bühne versucht, sich ihrer Vergangenheit und ihrer Wurzeln bewusst zu werden. Wo sie heute steht, kann sie nur bestimmen, wenn sie weiß, wo sie herkommt. Es ist nicht jeder geschichtsbewusst, aber es ist wichtig, sich historische Informationen zu vergegenwärtigen. Wenn ein Mensch nicht weiß, wo er herkommt, bringt ihn das manchmal in sehr große Nöte. Ähnlich ist es auch bei einem kleinen Verband oder einer Bühne. Es ist gut zu schauen, wie bestimmte Probleme gelöst wurden und herauszufinden, wie vorgegangen wurde, als es eine Krise gab. Auch zu wissen, wie ein Antrag gestellt wurde, kann hilfreich sein und als Inspiration dienen. Archivarbeit ist mit ein bisschen Mühe und Geld verbunden, aber meistens findet sich jemand, der nicht auf der Bühne stehen möchte, sondern eher im Hintergrund agieren will.
Beim BDAT decken wir einen Zeitraum von über 125 Jahren ab. Das ist großartig. Wenn wir das nicht hätten, wäre es ein großer Werteverlust. Es positioniert und erdet.
Wir haben im Archiv nicht nur Archivalien. Zum Archiv gehört auch eine kleine Bibliothek mit Literatur zum, über und vom Theater, auf die ich sehr stolz bin. Es ist wichtig, so etwas zu sammeln, denn darunter sind häufig auch Chroniken und Jubiläumsschriften. Damit vergewissert sich eine Bühne, woher sie kommt. Mehrere Kolleg*innen und ich versuchen das schwerpunktmäßig aufzubauen und zusammenzutragen. Das ist das zweite Bein hier im Archiv. – Heutzutage, vom wissenschaftlichen Standpunkt betrachtet, werden Archiv- und Bibliothekswissenschaften zusammengebracht. Früher war das etwas anders, weil die Herangehensweise – und wie der jeweilige Gegenstand behandelt wird, sich unterscheiden. Aber es hat beides mit Papier zu tun, das beschrieben ist.
Vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Carina Ibsch, Studentin der Kulturwissenschaften, im Rahmen ihres Praktikums in der Öffentlichkeitsarbeit beim BDAT (Mai 2020)
Das Archiv des Bund Deutscher Amateurtheater e. V. (BDAT) ist nur nach telefonischer bzw. E-Mail-Anmeldung zu den Öffnungszeiten zugänglich. Detaillierte Angaben über das angestrebte Rechercheziel und die gesuchten Materialien erleichtern es uns, entsprechende Archivalien im Vorfeld herauszusuchen und zeitgenau bereitzustellen. Vor Ort gibt es vier Lese- und Arbeitsplätze, es ist ein WLAN-Zugang für Archivnutzer vorhanden, und es besteht die Möglichkeit, Reproduktionen anfertigen zu lassen.
Es gilt die Archivordnung des BDAT.
Montag und Donnerstag
10.30 bis 15.00 Uhr
Info & Kontakt:
Bund Deutscher Amateurtheater e. V.
Reet Schmidt
Archiv & Bibliothek
Lützowplatz 9 // 10785 Berlin
Fon 030 26398590
archiv@bdat.info
www.bdat.info